Montag, 20. März 2023

Ein Dutzend Fragen an Martin BARKAWITZ - Das Interview

Ein Dutzend Fragen an Martin Barkawitz - Das Interview


Martin Barkawitz [mb] (geb. 1962) - als Verfasser von Taschenbüchern, Ebooks und Romanheften aus unterschiedlichen Genres der unterhaltenden Literatur bekannt - hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, ein paar Fragen von Dr. Karl Jürgen Roth [kjr] zu beantworten. Das Exklusiv-Interview für PoMeWe wurde am 19. März 2023 geführt.


KJR: Ich habe einige Ihrer Bücher mit Interesse und Gewinn gelesen. Dabei entstand für mich die eine oder andere Frage. Der Schwerpunkt Ihrer schriftstellerischen Arbeit liegt im Bereich der unterhaltenden Belletristik darunter auch Western.Wie sind Sie zum Schreiben gekommen und warum schreiben Sie Wildwestromane? Erzählen Sie doch bitte etwas über Ihren schriftstellerischen Werdegang?
MB: Ich habe schon als Kind selbst gern Unterhaltungsliteratur gelesen, Karl May war einer meiner Helden. Natürlich kannte ich auch G. F. Unger und die anderen fleißigen Westernautoren im Heftroman-Bereich. Mein Studium der Literaturwissenschaft schloss ich dann folgerichtig mit einem passenden Thema ab: Meine Magisterarbeit handelte von Helmut Rellergerd und seiner John-Sinclair-Serie. So kam ich mit dem Bastei-Verlag in Kontakt, und saß irgendwann dem damaligen Cheflektor Rainer Delfs gegenüber, der ja hier auch als Autor bekannt sein dürfte. Ich nahm meinen Mut zusammen und äußerte den Wunsch, selbst Heftromane zu schreiben. Er bot mir an, mein Glück bei Jerry Cotton zu versuchen, was auch auf Anhieb klappte. Das war 1997. Von da an arbeitete ich regelmäßig an der Serie mit. Zum Western kam ich, weil der Verlag mich auch für die Serien bzw. Reihen Lassiter und Jack Slade haben wollte. Seitdem habe ich nie mit dem Verfassen von Unterhaltungsliteratur aufgehört.
KJR: Neben Western haben Sie Texte geschrieben, die anderen Genres zuzuordnen ist. Welche Schwerpunkte setzen Sie hier und wie sehen Ihre weiteren Pläne für abenteuerliche Geschichten oder unterhaltende Belletristik aus? - Sind hier Überraschungen zu erwarten?
MB: Rein vom Volumen her ist die größte Gruppe der von mir verfassten Romane dem Krimi zuzuordnen. Ansonsten habe ich auch gern mit Grusel und Fantasy beschäftigt, beispielsweise war ich einige Zeit einer der Autoren von »Professor Zamorra«. Für den Cora-Verlag habe ich die »Steampunk-Saga« verfasst (unter meinem Pseudonym Steve Hogan), die inzwischen in Neuauflage bei Cassopeia Press erscheint. In der Richtung könnte ich mir mehr vorstellen – Fantasystoffe mit historischem Hintergrund. Es hat mir nämlich große Freude gemacht, einige Abenteuer des Arséne Lupin zu übersetzen und selbst einen neuen Roman um den Meisterdieb zu schreiben. Sie fragen nach Überraschungen? Nun, ich bin für alles offen und freue mich über Angebote von Verlagen. Selfpublishing mache ich aktuell nicht.
KJR: Western bilden einen gewissen Teil Ihrer Arbeit. Sind deren Handlungen einem bestimmten Serienkosmos zuzuordnen oder arbeiten Sie gezielt nach Exposés?. Wo sehen Sie die Vorteile einer solchen Arbeitsweise und was hat Sie dazu getrieben, Ihre Western zu schreiben?
MB: In der Zusammenarbeit mit Heftromanverlagen habe ich meist ein Kurzexposé vorgelegt, in dem ich die Handlung des geplanten Romans umrissen habe. Wenn dieses vom Lektor »abgesegnet« wurde, habe ich mit dem Verfassen begonnen. Das ist die Arbeitsweise, die ich traditionell gewöhnt bin. Wenn ich die Wahl habe, schreibe ich mit einer vagen Idee im Kopf drauflos. Da vertraue ich auf mein Bauchgefühl, das mich noch nie im Stich gelassen hat. Man hört ja oft, dass Western etwas formelhaftes hätten – das muss aber in meinen Augen kein Nachteil sein. Man hat als Autor innerhalb der Grenzen des Genres eben doch ziemlich freie Hand.
KJR: Könnte man Ihre Western dem klassischen amerikanischen formelhaften Western zuordnen, wie er z. B. In den Pulp Magazines gepflegt wurde? Solche Texte haben inzwischen auch schon eine lange Tradition und sie sind durch Übersetzungen oder auch deutschsprachige Originalveröffentlichungen hierzulande weit verbreitet. Wie sind Sie dazu gekommen, selbst Wildwestromane zu schreiben, was fasziniert Sie an diesem Subgenre der spannungsreichen Unterhaltungsliteratur und wo liegen Ihre Vorbilder im Bereich des Western?
MB: Wenn man meine Western als Pulp-Western bezeichnet, würde ich das als Kompliment auffassen. Ich habe die alten Pulp-Haudegen immer bewundert, die während der Weltwirtschaftskrise teilweise unter erbärmlichen Lebensbedingungen eine spannende Story nach der anderen zu Papier gebracht haben. Die Unsitte des endlosen Umschreibens gab es damals übrigens noch nicht. Denn Umschreiben hieß zu Zeiten von mechanischen Schreibmaschinen: Alles nochmals abtippen. Und je später der Verlagsscheck eintraf, desto länger mussten diese Autoren auf eine warme Mahlzeit warten. - Wie gesagt, meine Laufbahn als Westernautor verdanke ich dem Bastei-Verlag, das war die Idee meines damaligen Lektors. Am Western gefällt mir die Atmosphäre und die Charaktere, die nicht so aalglatt und weichgespült sind wie viele andere Figuren, die heutzutage über die Romanseiten geistern. Vorbilder? Vielleicht Louis L`Amour und G. F. Unger, wobei ich mich niemals mit solchen Größen vergleichen möchte. Darum sind es eben – unerreichbare – Vorbilder.
KJR: Der traditionelle Western wird von Literaturwissenschaftlern auch als eine spezielle Manifestation des amerikanischen Gründungsmythos gesehen (z.B. Peter Bischoff), Ähnliches klingt auch schon bei Frederick Jackson Turner in seiner – inzwischen teils als überholt geltenden Konzeption der Frontier-Hypothese an. Wie stehen Sie zu solchen Äußerungen?
MB: Die Theorie ist mir bekannt, allerdings war ich noch nie in Amerika. Ich kann mir aber vorstellen, dass der Pioniergeist und das über Jahrhunderte währende Verschieben der »Frontier« immer weiter nach Westen das Land und seine Bevölkerung nachhaltig geprägt haben. So etwas prägt – genau wie beispielsweise die Kleinstaaterei, wie sie für Deutschland so typisch war und uns noch heute verfolgt, wenn wir an bestimmte Auswüchse des Föderalismus denken … Ansonsten muss man meiner Meinung nach als amerikanischer oder deutscher Autor kein Anhänger der Frontier-Theorie sein, um einen spannenden Western schreiben zu können.
KJR: Neben traditionellen Western finden wir auf dem Markt Western, die vor dem Hintergrund der heutigen Gegenwart angesiedelt sind, Western mit Horrorelementen, Adult Western oder Southern (Western, die südlich des Rio Grande spielen), Northern (Handlungsorte: Kanada und Alaska) und selbst in Australien spielende Western. Was halten Sie von solchen Randerscheinungen des Genres und schreiben Sie selbst so etwas?
MB: Ich habe in der Vergangenheit an mehreren Erotik-Western-Serien mitgearbeitet (Lassiter & Co.), dafür gibt es offensichtlich immer noch einen Markt. Ich weiß, dass manche Puristen diese Sonderformen ablehnen, was ich aus deren Sicht nachvollziehen kann. Nun wird aber niemand gezwungen, solche Western zu lesen. Wenn schon auf dem Cover neben dem Gunfighter eine nur leicht bekleidete Lady steht, dann kann sich jeder Leser selbst ausrechnen, in welche Richtung die Geschichte gehen wird. Ich würde auch einen Grusel-Western schreiben, wenn mir jemand einen solchen Auftrag erteilt, warum denn nicht?
KJR: Immer wieder wird z.B. im Internet oder an anderer Stelle eine Krise des Western bzw. ein fehlendes Publikumsinteresse beklagt. Wie schätzen Sie die derzeitige Marktlage ein, und welche Ratschläge würden Sie einer/einem jungen Kollegin/Kollegen geben, der sich dem Schreiben von Western widmen möchte?
MB: Das Stichwort heißt Liebe, und zwar Liebe zum Genre. Wer als Autor wirklich für den Western »brennt«, der wird es in Kauf nehmen, dass heutzutage die Leserschaft für das Genre kleiner ist als noch vor Jahrzehnten. Aber nach meiner Erfahrung sind Westernleser treue Menschen. Außerdem kann sich der Wind immer mal wieder drehen. Auch im Kino wurde der Western schon totgesagt, und nichtsdestotrotz gibt es dort immer wieder Überraschungserfolge. Mein Rat an Newcomer: Erzähltechniken lernen und dann bei den Verlagen anklopfen, die Western veröffentlichen.
KJR: Ihre Western erscheinen zumeist als Paperbacks und Ebooks. Für Sammler sind Ebooks einfach nur katastrophal, man erwirbt bloß ein Nutzungsrecht und darf diese Dateien nicht besitzen und erst recht nicht weiterverkaufen. Dieser unhaltbare Zustand sollte m. E. schnellstens beendet werden. Liebevoll gemachte Paperbacks oder Hardcover sind hier etwas ganz anderes. Das bringt mich zum Thema der Veröffentlichungsformen. Wo sehen Sie hier die besten Chancen? Welche Veröffentlichungsformen bevorzugen Sie?
MB: Ich komme ja vom Heftroman her, also ist die gedruckte Form auch für mich die bevorzugte Veröffentlichung. E-Books sehe ich als eine weitere Schiene an, die den Druck aber keinesfalls ersetzen sollte. Zum Glück gibt es ja heutzutage das Print-on-Demand-Verfahren, so dass man auch Paperbacks von guter Qualität produzieren kann, obwohl nicht mit hohen Verkaufsauflagen zu rechnen ist. Hardcover sind natürlich der Goldstandard, da sind wir uns wohl alle einig.
KJR: Stichwort Übersetzungen. Streben Sie Übersetzungen in andere Sprachen an?. Sehen Sie gute Chance für solche Übertragungen? Hierbei würde mich vor allem der Aspekt ‚deutschsprachige Originale in englischsprachiger Fassung‘ interessieren.
MB: Ob meine Western übersetzt werden, liegt natürlich auch an den Verlagen, mit denen ich zusammenarbeite. Bastei hat eine sehr rege Lizenzabteilung, etliche meiner Western sind in Belgien erschienen - und es gibt auch eine einzelne Übersetzung in die tschechische Sprache. Natürlich würde ich auch Übersetzungen ins Englische begrüßen, ich selbst habe da leider keine Kontakte.
KJR: Hat Martin Barkawitz Pseudonyme genutzt? Wenn ja, können Sie uns einige nennen und warum und wann haben Sie überhaupt Decknamen benutzt?
MB: Meine Western-Pseudonyme lauten: Jack Slade, William Scott, Nolan F. Ross (Verlagspseudonyme), ferner Henry Raven, Rob Monroe und Carrie Bliss. - Warum ich unter Pseudonymen schreibe? Als Heftromanautor bin ich das so gewöhnt, und meist wird es von den Verlagen erwartet. Das mag im Taschenbuch und Hardcover anders sein, aber da stehen bei mir aktuell keine Western-Veröffentlichungen an.
KJR: Wie lebt ein Autor unterhaltender Belletristik? Ein wenig Homestory interessiert immer.
MB: Ich führe eigentlich ein ruhiges Leben. Morgens bis mittags wird geschrieben, dann Pause, nachmittags noch ein paar Seiten mehr zu Papier bringen. Ich verbringe viel Zeit mit meiner Freundin und bin im Sportverein aktiv, wo ich mich als Trainer mit der edlen Fechtkunst befasse. Sport ist wichtig, wenn man eine sitzende Tätigkeit ausübt und über 60 ist ;-). Oft halte ich mich an der Nordseeküste und auf den Inseln auf, weil ich auch Ostfrieslandkrimis schreibe – natürlich ebenfalls unter Pseudonym. Wenn man als Autor auf einen grünen Zweig kommen will, dann muss man viel produzieren – es sei denn, man heißt Sebastian Fitzek. Bis jetzt habe ich meine Abgabetermine immer einhalten können.
KJR: Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft – privat und als Autor?
MB: Gesundheit für meine Lieben und für mich. Und so viele Romane wie möglich schreiben, das macht mir nämlich nach 25 Jahren im Beruf immer noch Spaß.
KJR: Ich danke für die bereitwillige Beantwortung meiner teils indiskreten Fragen!
MB: Ich habe zu danken.