Dienstag, 21. März 2023

Ein Dutzend Fragen an Stefan BARTH - Das Interview

Ein Dutzend Fragen an Stefan Barth


Stefan Barth [sb] (geb. 1967) - als Verfasser von Taschenbüchern und Ebooks sowie als Autor von Drehbüchern bekannt - hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, ein paar Fragen von Dr. Karl Jürgen Roth [kjr] zu beantworten. Das Exklusiv-Interview für PoMeWe wurde am 20. März 2023 geführt.

KJR: Ich habe einiges über Ihre Westernserie RONDO gelesen. Dabei entstand für mich die eine oder andere Frage. Der Schwerpunkt Ihrer schriftstellerischen Arbeit liegt im Bereich der unterhaltenden Belletristik darunter auch Western sowie beim Verfassen von Drehbüchern für TV- und Filmproduktionen. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen und warum schreiben Sie Wildwestromane? Erzählen doch bitte etwas über Ihren schriftstellerischen Werdegang?

SB: Erstmal danke für das Interesse. Schreiben hat mich schon seit der Schulzeit umtrieben; die Idee für den Held meiner Western-Serie RONDO kam mir tatsächlich bereits während des Abiturs. Film war ebenfalls eine immer größer werdende Leidenschaft und während meines Film- und Fernsehwissenschaft-Studiums in Bochum habe ich begonnen erste Drehbücher zu schreiben, bis ich 1997 zum ersten Mal professionell für die Action-Serie DER CLOWN geschrieben habe (unter anderem eine „Western“ Folge). Seitdem bin ich freiberuflicher Drehbuchautor und habe viele Bücher für diverse Filme und Serien geschrieben.

Als Liebhaber von Genre-Stoffen, die in Deutschland immer schwer zu realisieren waren (inzwischen wird es dank den Streamern besser) habe ich neben den „Butter-und-Brot-Drehbüchern“ immer wieder reine Genre-Drehbücher geschrieben, die es aber nie bis zur Produktion gebracht haben. 2015 habe ich dann eins davon, DRECKSNEST (eine Art Western im Deutschland der Gegenwart) zum ersten Mal als Roman umgesetzt und über Amazon selbst veröffentlicht. Es folgten dann weitere Romane in verschiedenen Genres (2. Weltkrieg, Horror, Thriller und schließlich Western).

KJR: Neben Western haben Sie Texte geschrieben, die anderen Genres zuzuordnen ist. Welche Schwerpunkte setzen Sie hier und wie sehen Ihre weiteren Pläne für abenteuerliche Geschichten oder unterhaltende Belletristik aus? - Sind hier Überraschungen zu erwarten?

SB: Als ich angefangen habe neben der Drehbucharbeit auch Romane zu schreiben, war das zunächst nur ein Ventil, um ohne Input von anderen endlich die Art von Geschichten zu erzählen und zu veröffentlichen, die ich persönlich liebe. Amazon bzw. Kindle Direct Publishing hat da vielen wie mir die Tore geöffnet – plötzlich konnte man ohne die Gatekeeper bei den Verlagen veröffentlichen und inzwischen so professionell, dass es mehr oder weniger keinen Unterschied mehr zwischen Indie-Publishing und Verlagsveröffentlichungen gibt – außer, dass viele Indie-Publisher wesentlich mehr Geld verdienen.

Anfangs bin ich zwischen den Genres gesprungen, was es Autor*innen schwerer macht, weil die Leser sie nicht in eine Schublade stecken können. Mein Weltkriegsroman war bislang mein erfolgreichster, und das Gesetz des Marktes hätte eigentlich diktiert, dass ich mehr davon schreibe, was ich aber (bislang) nicht getan habe. Jetzt fokussiere ich mich gerade auf meine große Liebe, den Western, und versuche mich dort als „Marke“ zu etablieren. Aber tatsächlich plane ich eine zweite Roman-Reihe, diesmal geht es um einen Abenteurer zur Zeit des ersten Weltkriegs. Grundsätzlich stehe ich nach wie vor auch anderen Genres wie Thriller und Horror offen gegenüber, aber da entscheiden ein bisschen die Leser und die Bücher, die sie von mir kaufen mit.

KJR: Western bilden einen gewissen Schwerpunkt Ihrer Arbeit. In jüngerer Zeit haben Sie mit Rondo eine Serienfigur geschaffen, deren Handlungen einen bestimmten Serienkosmos zugeordnet werden können. Wo sehen Sie die Vorteile eines solchen Handlungskonzepts und was hat Sie dazu getrieben, Western zu schreiben?

SB: Wie bereits erwähnt, liebe ich Western seit meiner Kindheit. Zweifelsohne mein Lieblings-Genre. Vor allem die Filme von Howard Hawks, Anthony Mann, Sam Peckinpah und Sergio Leone haben mich geprägt, aber natürlich auch viele, viele andere. Was die Literatur betrifft ist LONESOME DOVE von Larry McMurtry mein Alltime-Favorite. Für mich wahrscheinlich mit Abstand der beste Western-Roman ever. Mit RONDO wollte ich einen Pulp-Helden kreieren, der die Elemente des klassischen Westerns mit denen des Spaghetti-Westerns kombiniert und gleichzeitig einigermaßen authentischen, historischen Background liefert.

Außerdem wusste ich, dass ich viele Geschichten mit Rondo erzählen kann/will und Serien sind für Autoren immer ein gutes Geschäft (vorausgesetzt natürlich, sie kommen an ). Die Grundidee, dass Rondo mit einer Kugel im Kopf herumläuft, die ihn jederzeit töten kann, kam mir tatsächlich erst bei der Arbeit am ersten Roman „Sechs Kugeln für den Bastard“, den ich während des ersten Corona-Lockdowns 2020 innerhalb von drei Monaten geschrieben und veröffentlicht habe.

KJR: Könnte man ihre Rondo-Romane dem ‚Weird Western‘ zuordnen? Solche Texte haben inzwischen auch schon eine lange Tradition und sie sind mir in deutscher Sprache erstmals mit Romanen wie Thomas Mayne Reids „Der Reiter ohne Kopf“ (The Headless Horseman) bzw. der schönen Geschichte Will Henrys „Der Geisterwolf vom Thunder Mountain“ begegnet. Später gab es dann im Bereich der Romanhefte Grusel- und Geister-Western. Was fasziniert Sie an diesem Subgenre und wo liegen Ihre Vorbilder im Bereich des Western?

SB: Nein, die RONDO-Romane sind keine „Weird Western“. Es sind geradlinige Western ohne Horror-Elemente.

KJR: Der traditionelle Western wird von Literaturwissenschaftlern auch als eine spezielle Manifestation des amerikanischen Gründungsmythos gesehen (z.B. Peter Bischoff), Ähnliches klingt auch schon bei Frederick Jackson Turner in seiner – inzwischen teils als überholt geltenden Konzeption der Frontier-Hypothese an. Wie stehen Sie zu solchen Äußerungen?

SB: Mit solchen Thesen oder Äußerungen kenne ich mich ehrlich gesagt gar nicht genug aus, um sie zu kommentieren. Was mich persönlich am Western-Genre fasziniert, ist die Geradlinigkeit der Geschichten, die immer auch Parallelen zur Moderne enthalten und gleichzeitig die Komplexität, die man den Charakteren geben kann, was natürlich auch mit der amerikanischen Pionierzeit und ihren diversen Einflüssen durch Menschen aus der ganzen Welt zusammenhängt.

KJR: Neben traditionellen Western finden wir auf dem Markt Western, die vor dem Hintergrund der heutigen Gegenwart angesiedelt sind, Western mit Horrorelementen, Adult Western oder Southern (Western, die südlich des Rio Grande spielen), Northern (Handlungsorte: Kanada und Alaska) und selbst in Australien spielende Western. Was halten Sie von solchen Randerscheinungen des Genres und schreiben Sie selbst so etwas?

SB: Grundsätzlich finde ich Randerscheinungen und Sub-Genres immer interessant. Manche funktionieren besser (bei Horror-Elementen denke ich an den Film BONE TOMAHAWK), manche schlechter (COWBOYS & ALIENS). Western-Elemente findet man heute ja vor allem im Krimi und Thriller-Bereich wieder, besonders in amerikanischen Serien wie LONGMIRE und JUSTIFIED oder Filmen wie WAY OF THE GUN (liebe ich!) und vielen anderen. Mein Weltkriegsroman ES WAR EINMAL IN DEUTSCHLAND, der ab 26. Mai als Film unter dem Titel BLOOD & GOLD auf Netflix zu sehen sein wird, entstand aus der Idee klassische Western-Elemente in den zweiten Weltkrieg zu packen.

KJR: Immer wieder wird z.B. im Internet oder an anderer Stelle eine Krise des Western bzw. ein fehlendes Publikumsinteresse beklagt. Wie schätzen Sie die derzeitige Marktlage ein, und welche Ratschläge würden Sie einer/einem jungen Kollegin/Kollegen geben, der sich dem Schreiben von Western widmen möchte?

SB: Der Western ist auf dem Buchmarkt ja schon lange nicht mehr so dominant wie in den Sechziger, Siebziger und Achtziger Jahren, ähnlich im Film- und Comicbereich. In Amerika ist das Genre noch etwas lebhafter als in Deutschland und Europa allgemein, aber bestimmt auch geschrumpft.

Seit ich die RONDO-Western schreibe, beobachte ich das noch mal genauer. Ein Blick in die Amazon-Western-Charts zeigt eigentlich ausschließlich moderne Romance-Literatur mit Rocky-Mountain-Background oder Western-Hefte von G.F. Unger und Jack Slade. Längere Western-Romane findet man in Deutschland so gut wie gar nicht (bis auf wenige Ausnahmen wie Alfred Wallon u.a.), zumindest nicht in den Charts. Nicht mal übersetzte amerikanische Autoren wie die Klassiker Louis L’Amour, Elmer Kelton und viele andere. Also ist der Western wahrscheinlich nicht unbedingt das naheliegendste Genre um viel Geld zu verdienen.

Bei der Auswertung von Facebook-Werbung zum Beispiel sehe ich, dass mein Zielpublikum erst ab Mitte 50 beginnt, bei den Jüngeren ist das Genre fast nicht existent. Das ist natürlich schade und kann sich nur ändern, wenn der Western wieder mehr „Awareness“ bei einem breiteren Publikum findet. Keine Ahnung, ob das möglich ist, ich versuche es jedenfalls. Bei Filmen und Serien gibt es ja immer wieder mal „klassische“ Western, die beim Massenpublikum erfolgreich sind. Was junge Kollegen betrifft: Grundsätzlich würde ich erst mal das schreiben, was mir Spaß macht, und wenn das Western sind: Go for it. Aber natürlich muss man auch kommerzielle Gesichtspunkte betrachten, wenn man Geld verdienen will. Ich würde mich jedenfalls freuen, wenn es weitere neue Autoren im Genre gibt.

KJR: Ihre Western erscheinen zumeist als Paperbacks und Ebooks. Für Sammler sind Ebooks einfach nur katastrophal, man erwirbt bloß ein Nutzungsrecht und darf diese Dateien nicht besitzen und erst recht nicht weiterverkaufen. Dieser unhaltbare Zustand sollte m. E. schnellstens beendet werden. Liebevoll gemachte Paperbacks oder Hardcover sind hier etwas ganz anderes. Das bringt mich zum Thema der Veröffentlichungsformen. Wo sehen Sie hier die besten Chancen? Welche Veröffentlichungsformen bevorzugen Sie?

SB: Mit Kindle und den EBooks hat Amazon den Buchmarkt revolutioniert, für Leser und für Autoren. EBooks sind heute einfach nicht mehr wegzudenken. Ich liebe beides und veröffentliche meine Romane sowohl als EBooks als auch als Paperback. Grundsätzlich verkaufen sich EBooks besser als Paperbacks, aber bei den RONDO-Western gehen auch die Paperbacks sehr gut, was wahrscheinlich wieder damit zu tun hat, dass Western-Leser momentan noch der älteren Generation angehören, die grundsätzlich eher zum klassischen Buch tendiert.

KJR: Stichwort Übersetzungen. Streben Sie Übersetzungen in andere Sprachen an?. Sehen Sie gute Chance für solche Übertragungen? Hierbei würde mich vor allem der Aspekt‚ deutschsprachige Originale in englischsprachiger Fassung‘ interessieren.

Natürlich denke ich auch über Übersetzungen nach. Vor allem bei den Western ist der englischsprachige Markt von Interesse, denke ich. Aber auch, was meine anderen Bücher betrifft. Übersetzungen sind allerdings mit hohen Kosten verbunden, die man als Indie-Autor erst einmal selbst aufbringen muss – außerdem ist es wirklich schwierig den internationalen Markt zu knacken, der einfach riesig ist. Selbst in Deutschland mega-erfolgreiche Autoren haben Probleme dort Erfolg zu finden. Wir haben zwar inzwischen auch die Möglichkeit zur Werbung über Amazon oder auch Facebook, mit der man eine größere Leserschaft erreichen kann, aber auch das ist mit Kosten verbunden, für die erst einmal Geld vorhanden sein muss.

KJR: Hat Stefan Barth Pseudonyme genutzt? Wenn ja, können Sie uns einige nennen und warum und wann haben Sie überhaupt Decknamen benutzt?

SB: Tatsächlich habe noch nie ein Pseudonym benutzt. Als ich anfing, die RONDO-Western zu schreiben, habe ich mit dem Gedanken gespielt, so wie es ja in Deutschland (vor allem bei Heftromanen) von vielen gehandhabt wird. Aber dann hätte ich ein zweites Autoren-Profil zu bewerben gehabt und ich wollte einfach alles unter einem Dach halten. Und seien wir ganz ehrlich, die meisten Pseudonyme sind doch eher albern und jeder weiß, dass kein Amerikaner dahinter steckt.

KJR: Wie lebt ein Autor unterhaltender Belletristik? Ein wenig Homestory interessiert immer.

SB: Ich arbeite jetzt seit fünfundzwanzig Jahren als freiberuflicher Autor. Das hat viele Vorteile: Geld mit dem zu verdienen, was man liebt, eigene Arbeitseinteilung, flexibler im Familienleben, aber auch ungewisse Zeiten und letztendlich wahrscheinlich mehr Arbeit als wäre ich irgendwo angestellt. Aber das schöne ist ja, das ich Schreiben gar nicht als „Arbeit“ betrachte.

Was den Arbeitsablauf betrifft: Ich schreibe tatsächlich die meiste Zeit in einem Café um die Ecke, das zu einer Arbeit Büro geworden ist. Ist ein bisschen so wie „zur Arbeit“ zu gehen. Wenn die Kinder in der Schule sind, gehe ich zum Sport, dann fange ich an zu schreiben (oder zu denken) und das bis meist 16 oder 17 Uhr. Bei Drehbüchern habe ich Deadlines, die einzuhalten sind. Dazu kommen die Romane, die parallel entstehen und oft auch außerhalb der „regulären Bürozeiten“. Ich arbeite mit einem Macbook Air, brauche Kaffee und manchmal auch Musik, meistens Soundtracks.

KJR: Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft – privat und als Autor?

Privat das übliche, Gesundheit und Zufriedenheit – als Autor wünsche mir einfach weiterhin mit dem Schreiben Geld verdienen zu können und die Roman-Arbeit noch aktiver zu betreiben als es sowieso schon der Fall ist.

KJR: Ich danke für die bereitwillige Beantwortung meiner teils indiskreten Fragen!