Mittwoch, 15. März 2023

Ein Dutzend Fragen an THOMAS OSTWALD - Das Interview

 Ein Dutzend Fragen an THOMAS OSTWALD


Thomas Ostwald [to] (geb. 1949) - als Verfasser zahlreicher Taschenbücher, Hardcover und Romanhefte bekannt - hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, ein paar Fragen von Dr. Karl Jürgen Roth [kjr] zu beantworten. Das Exklusiv-Interview für PoMeWe wurde am 12. März 2023 geführt.


KJR: Ich habe zahlreiche Ihrer Romane, Sachbücher und Essays mit Interesse und Gewinn gelesen. Dabei entstand für mich die eine oder andere Frage. Der Schwerpunkt Ihrer schriftstellerischen Arbeit liegt im Bereich der unterhaltenden Belletristik und dabei insbesondere im Bereich des spannenden Abenteuer- und Reiseromans, wozu ich hier auch den Western zähle. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen und warum schreiben Sie u. a. Wildwestromane? Erzählen doch bitte etwas über Ihren schriftstellerischen Werdegang?

TO: Mit dem Schreiben habe ich schon während der Schulzeit angefangen – Krimigeschichten in einer Kladde, die unter den Tischen weitergereicht wurde. Auch eine einfache Kinderzeitung, mit ausgeschnittenen Witzen und Rätseln, habe ich damals gemacht. Daraus entwickelte sich ständig das Schreiben von Geschichten bis hin zu Romanen vor historischem Hintergrund wie bei meinen Romanen um Herzog Heinrich der Löwe, Sir Morgan der Löwenritter oder auch ‚Der Untergang des Hauses Ackermann‘ oder die Familiengeschichte ‚Das Haus Leupolth‘.

KJR: Neben Western haben Sie so manche abenteuerliche Geschichte geschrieben, die anderen Genres der unterhaltenden Literatur zuzuordnen ist. Welche Schwerpunkte setzen Sie hier und wie sehen Ihre weiteren Pläne für phantastische abenteuerliche Geschichten oder oder anderes aus? Sind hier Überraschungen zu erwarten?

TO: Ich schreibe gern etwas zu dem Thema, das mich gerade besonders berührt. Das kann durch etwas geschehen sein, das ich gerade erneut gelesen habe – wie einen der ‚klassischen Abenteuerromane‘ – einen Film oder auch nur durch ein Gespräch. Dann formt sich ein Gedanke, der zur Story heranwächst – und auf das Papier gebracht werden will. Historische Persönlichkeiten aus der Pionierzeit wie Buffalo Bill oder Wild Bill Hickok faszinierten mich stets und forderten mich geradezu heraus, Geschichten um sie zu schreiben. Aber auch die Zeit Coopers bzw. die Zeit des Unabhängigkeitskrieges habe ich aufgegriffen und eine eigene TB-Reihe dazu verfasst: „Revolution 1776“, in der auch ein Reiseführer zu den von mir aufgesuchten Handlungsplätzen existiert.

KJR: Western oder Abenteuerromane, bilden einen Schwerpunkt Ihrer Arbeit. Sie schreiben gelegentlich Romane, deren Handlung mehr oder weniger lose miteinander verbunden ist. Ich denke hier an Sir Morgan, der Löwenritter, Pastiches zu Karl May oder Jules Verne und auch die Serie Sündenpfuhl Berlin 1928. Wo sehen Sie die Vorteile solcher Handlungskonzepte?

TO: Da bildet meine Ritterserie um Sir Morgan sicher einen besonderen Schwerpunkt. Sie spielt zur Zeit des 3. Kreuzzuges und ist ein Robin-Hood-Thema, allerdings mit anderen Schauplätzen, überwiegend in Cornwall angesiedelt, das ich sehr mag. Pastiches zu Karl May, Jules Verne oder Conan Doyle wie auch Krimiserien á la Sündenpfuhl oder auch ‚Berlin 1968’ erfüllen als Serien die Wünsche zahlreicher Leser. ‚Sir Morgan‘ wurde zur umfangreichsten deutschen Ritterromanserie mit mehr als 53 Bänden, ebenso ‚Berlin 1968‘ mit 65 veröffentlichten Krimis. Bei diesen umfangreichen Serien lebe ich wie in einem eigenen Kosmos und bemühe mich, die Romanfiguren lebendig zu gestalten. Sir Morgan erlebt z.B. sämtliche Höhen und Tiefen als Mann, der um seine Rechte kämpft und dabei eine Frau an seiner Seite hat, die offenbar über Kräfte verfügt, die kein anderer Mensch besitzt …

KJR: Karl May und Friedrich Gerstäcker können als Ihre Vorbilder angesehen werden. Insbesondere zu Gerstäcker haben sie auch wissenschaftlich gearbeitet und dankenswerterweise in Ihrer Funktion als Vorsitzender der Friedrich Gerstäcker-Gesellschaft viel bewegt. Zudem geben Sie immer wieder unbearbeitete Neuausgaben von Gerstäckers Werken heraus und sorgen so dafür, dass Gerstäcker im öffentlichen Bewusstsein bleibt. - Wo liegen Ihre Vorbilder im Bereich des Western und des abenteuerlichen Romans?

TO: Meine Vorbilder im Western liegen genau bei diesen Autoren. Als ich meine ersten Karl-May-Pastiches schrieb, dachte ich an die Erlebnisse, die Friedrich Gerstäcker gehabt haben könnte. Ich habe mich also bemüht, die May’schen Figuren stets vor einen möglichst realistischen Hintergrund zu stellen.

Meine Romane um Winnetou und Old Shatterhand wie auch mit Halef und Kara ben Nemsi habe ich versucht, so dicht wie möglich an das Original zu bringen, dabei mit dem Wissensstand der heutigen Zeit. Es gibt bei mir äußerst selten eine ‚Quick draw‘-Situation, weil mir das schnelle Ziehen und Schießen mit dem Revolver in dieser frühen Zeit – ab 1840 etwa – einfach zu unwahrscheinlich ist. Ich habe mit zahlreichen Western-Waffen aus dem Bereich der Vorderlader geschossen, vom Colt Paterson über Long Rifles bis schließlich zur klassischen Winchester-Büchse und bemühe mich, meine Erfahrungen glaubwürdig einzubauen. Auch Karl Mays Schilderung, wie der junge Winnetou zu seinem Namen kam, habe ich in ‚Sohn des Apachenhäuptlings‘ aufgegriffen. Übrigens habe ich auch Coopers Helden in einer Trilogie ‚wieder belebt‘…

KJR: Der traditionelle Western wird von Literaturwissenschaftlern auch als eine spezielle Manifestation des amerikanischen Gründungsmythos gesehen (z.B. Peter Bischoff), Ähnliches klingt auch schon bei Frederick Jackson Turner in seiner – inzwischen teils als überholt geltenden Konzeption der Frontier-Hypothese an. Wie stehen Sie zu solchen Äußerungen?

TO: Ich glaube schon, dass an der Frontier-Hypothese etwas ist. Der Amerikaner in den Neu-England-Staaten ist ein vollkommen anderer als der der übrigen Staaten. Ich bin z.B. mit Menschen in Minnesota zum Walmart gefahren und habe für ein nachmittägliches Schießen dort Patronen gekauft. Der Pioniermythos lebt bei ihnen auf den kleinen und großen Farmen, Ranches, Pferdehöfen und wo auch immer. Die Waffen gehören bei ihnen dazu, trotz aller unerfreulichen Gewalttaten mit Waffen, von denen wir immer wieder hören. Viele sehen sich noch immer als Nachfahren der Pioniere, der Besitz von Waffen gehört für sie zum Alltag. Das habe ich übrigens selbst bei Historikern und Forschern in Albany erfahren müssen: Menschen, denen man einen gewissen Bildungsgrad bescheinigt, sagen frei heraus, dass es sich um ihr Land heute handelt, und nicht um das Land der Indianer – die es nicht bebauen konnten. Eine für mich erschreckende Aussage, die bei uns Europäern wohl kaum auf Verständnis trifft.

KJR: Neben traditionellen Western finden wir auf dem Markt Western, die vor dem Hintergrund der heutigen Gegenwart angesiedelt sind, Western mit Horrorelementen, Adult Western oder Southern (Western, die südlich des Rio Grande spielen), Northern (Handlungsorte: Kanada und Alaska) und selbst in Australien spielende Western. Was halten Sie von solchen Randerscheinungen des Genres und schreiben Sie selbst so etwas?

TO: Das ist nun so gar nicht mein Thema, und ich kann mir auch nicht vorstellen, in diesem Bereich eine Geschichte anzusiedeln.

KJR: Immer wieder wird z.B. im Internet oder an anderer Stelle eine Krise des Western und der Abenteuerliteratur bzw. ein fehlendes Publikumsinteresse beklagt. Wie schätzen Sie die derzeitige Marktlage ein, und welche Ratschläge würden Sie einer/einem jungen Kollegin/Kollegen geben, der sich dem Schreiben von Western widmen möchte?

TO: Eine Krise dieser Art kann man wohl kaum leugnen, auch wenn es immer wieder neue Filme gibt, die auf eigene Weise überraschen wie z.B. Tarantinos ‚The Hateful Eight‘ u.a. Meine Empfehlung für junge Western-Autoren: Schreibt authentisch und nicht wie zu Zeiten der großen Leihbücher und Heftromane. Das Genre muss nicht neu erfunden werden, aber lebendig dargestellt werden. Glaubwürdige Helden, die auch mal scheitern dürfen, an ihre Grenzen kommen. Ich glaube, der heutige Leser möchte Geschichten lesen, die glaubwürdig sind. In Zeiten von Smartphones, künstlicher Intelligenz und Computerspielen, die scheinbar in die Realität überschwappen, ist der Western für mich so etwas wie eine Fluchtinsel, in der die Welt zwar wild und ungeordnet, aber doch halbwegs überschaubar ist. Ein Mann kann sich noch bewähren und – durchsetzen.

KJR: Ihre Western erscheinen zumeist als Paperbacks und Ebooks, teils auch in Hardcoverausgaben, andere Texte wurden z.B. im Magazin für Abenteuer-, Reise- und Unterhaltungsliteratur veröffentlicht oder erschienen als Romanhefte. Für Sammler sind Ebooks einfach nur katastrophal, man erwirbt bloß ein Nutzungsrecht und darf diese Dateien nicht besitzen und erst recht nicht weiterverkaufen. Dieser unhaltbare Zustand sollte m. E. Schnellstens beendet werden. Liebevoll gemachte Paperbacks oder Hardcover sind hier etwas ganz anderes. Hinzu kommt, dass ‚billig‘ gemachte Paperbacks so manches Kleinverlags oder Print-on-Demand-Systems oft weder ästhetisch (Design, Layout) noch inhaltlich überzeugen können. - Das bringt mich zum Thema der Veröffentlichungsformen. Wo sehen Sie hier die besten Marktchancen? Welche Veröffentlichungsformen bevorzugen Sie?

TO: Als buchstäblich alter Buchhändler und Verleger liebe ich nach wie vor das gedruckte Buch. Aber der Markt ist schnelllebig geworden und verlangt nach eBooks. Ich bin immer wieder überrascht, in welchen Mengen eBooks heruntergeladen werden. An einem Wochenende, an dem ein neuer Krimi von mir erschien, wurden mehr als 360 eBooks heruntergeladen – aber keine 50 Print-Ausgaben gekauft. Das ist allerdings immer relativ zu sehen. Mein neuer Braunschweig-Krimi, im Januar erschienen, verkauft sich vor Ort nach wie vor als Taschenbuch und als Hardcover-Ausgabe besser als das eBook – aber das liegt an meiner Präsenz vor Ort, wo ich mehrfach daraus lese.

KJR: Stichwort nicht fiktionale Texte: Sie haben populärwissenschaftliche Biographien zu Charles Sealsfield, Friedrich Gerstäcker, Karl May und Jules Verne geschrieben, dazu so manchen Essay, Zeitschriften zur Amerikanistik und zur Unterhaltungsliteratur sowie die Buchreihe Texte zur Heftromangeschichte herausgegeben Wie schätzen Sie heute die Chancen für solche speziellen Projekte ein?

TO: Die beiden Zeitschriften – „Magazin für Abenteuer-, Reise- und Unterhaltungsliteratur“ sowie das später an meinen Freund Dietmar Kügler abgegebene „Magazin für Amerikanistik“ haben m.E. heute nur noch eine Chance als Online-Ausgabe. Nach dem Tod Dietmar Küglers fehlt dem Magazin der Motor. Im überschaubaren Abonnentenkreis mag es noch Chancen geben, aber mit nur sehr bescheidenen Verdienstmöglichkeiten. Online bieten sich da ganz andere Chancen, die aber m.E. sehr zeitaufwändig sind. Ich arbeite derzeit in einer Online-Redaktion und erlebe dabei, wie dieses Medium begeisterte Leser findet. Der Markt ist überschaubar für solche ‚Fanzines‘, das gilt sicher auch für die ‚Texte zur Heftromangeschichte‘, von denen ich einige Bände wieder als gedruckte Version aufgelegt habe.

KJR: Thomas Ostwald hat im Lauf der Jahre so manches Pseudonym genutzt. Können Sie uns einige nennen und warum und wann haben Sie überhaupt Decknamen benutzt?

TO: Sehr häufig veröffentliche ich unter Tomos Forrest, das ist entstanden durch die in Cornwall spielende Ritterserie ‚Sir Morgan‘. Bei den Jules-Verne-Pastiches fand ich es reizvoll, als grantiger Harpunier Ned Land aus dem Nähkästchen zu plaudern, während neue Sherlock-Holmes-Werke von einem Verwandten des weiland Doktor Watson erschienen.

KJR: Wie lebt ein Autor unterhaltender Belletristik? Ein wenig Homestory interessiert immer.

TO: Zumeist sitze ich ab 9.00 Uhr am PC und schreibe. Dabei wechselt das Genre häufig, es gibt kein festes Arbeitsschema – ich schreibe, wie es mir gerade in den Sinn kommt. Häufig bin ich dann in den Nachmittag- oder Abendstunden zu Stadtführungen unterwegs oder – und das nun schon seit 40 Jahren – bei den Schlaraffen, einem Männerbund, der vor rund 160 Jahren einst in Prag von Künstlern gegründet wurde.

KJR: Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft – privat und als Autor?

TO: Da steht - ganz „uneigennützig“- der Wunsch nach Gesundheit an oberer Stelle und damit natürlich verbunden das weitere Schaffen im schriftlichen Bereich. Mir fallen noch immer Geschichten ein und ich hoffe, dass sie auch noch lange Zeit meinen Lesern gefallen!

Ich danke für die bereitwillige Beantwortung meiner teils indiskreten Fragen!


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