Dienstag, 14. März 2023

Ein Dutzend Fragen an Thomas Jeier - Das Interview


 Ein Dutzend Fragen an THOMAS JEIER


Thomas Jeier [tj] (geb. 1947) - als Verfasser zahlreicher Taschenbücher, Hardcover und Romanhefte bekannt - hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, ein paar Fragen von Dr. Karl Jürgen Roth [kjr] zu beantworten. Das Exklusiv-Interview für PoMeWe wurde am 12. März 2023 geführt.


KJR: Ich habe zahlreiche Ihrer Romane mit Interesse und Gewinn gelesen. Dabei entstand für mich die eine oder andere Frage. Der Schwerpunkt Ihrer schriftstellerischen Arbeit liegt im Bereich der unterhaltenden Belletristik und dabei insbesondere im Bereich des Western oder der spannenden Frauenromane vor dem Hintergrund der grandiosen Natur des nördlichen Kanada bzw. Alaskas . Wie sind Sie zum Schreiben gekommen und warum schreiben Sie Wildwestromane? Erzählen Sie doch bitte etwas über Ihren schriftstellerischen Werdegang?

TJ: Geschrieben habe ich schon als Jugendlicher gern. Hinzu kam mein Interesse für die amerikanische Pioniergeschichte. Lesen war mein großes Hobby, beide Eltern waren Buchhändler, ein Großvater Verleger, der andere Journalist für den „Kicker“. Ich begeisterte mich für Heftwestern, vornehmlich die authentischen Western von H. J. Stammel (Robert Ullman) und die „Wyatt Earp Story“, aber auch für Romane von Jack London, John Steinbeck und Ernest Hemingway. Ich veröffentlichte einige Artikel für die Jugendseite des „Badischen Tagblatts“ und wurde vom Cheflektor des Zauberkreis-Verlags ermutigt, mit 18 meinen ersten Heftwestern und historische Beiträge für die Rückseiten der Heftromane zu schreiben. Meine buchhändlerische Ausbildung verdanke ich dem Heyne-Verlag, für den ich später als freier Lektor die Western-Taschenbücher betreute. Dadurch kam ich mit den Größen der amerikanischen Western-Literatur in Kontakt, lernte Louis L’Amour, Will Henry, Wayne D. Overholser, Lewis B. Patten, Elmer Kelton, u.a, persönlich kennen und war mit einigen befreundet. Auf meinen jährlichen USA-Reisen wurde ich mit den USA, ihrer Geschichte und den Menschen bekannt, wurde zum halben Amerikaner, indem ich ständig zwischen Deutschland und den USA pendelte. Ich schrieb über das, was mich am meisten interessierte, Indianer (okay, Indigene) und die amerikanische Pioniergeschichte, und das so authentisch wie möglich. Schon früh schrieb ich auch über andere Aspekte der US-Geschichte wie den Klondike-Goldrausch und später über Martin Luther King und Vietnam. Dass sich inzwischen vor allem Frauen für meine Romane interessieren, geht auf meine Idee zurück, einen Indianerroman über eine weibliche Heldin zu schreiben („Das Lied der Cheyenne“). Der kam so gut an, dass ich weitere Romane mit weiblichen Protagonistinnen schrieb. Alaska und Kanada faszinieren mich, weil es dort noch immer echte Wildnis gibt, und man dort spannende Abenteuer ansiedeln kann.

KJR: Neben Western haben Sie Jugendgeschichten, Reise- und Sachbücher geschrieben, die anderen Genres zuzuordnen sind. Welche Schwerpunkte setzen Sie hier und wie sehen Ihre weiteren Pläne aus? Sind hier Überraschungen zu erwarten?

TJ: Ich habe nie einen Unterschied zwischen Erwachsenen- und Jugendbüchern gemacht, die Protagonisten meiner Jugendbücher müssen auch keine Jugendlichen sein. Auch schreibe ich nicht bewusst für bestimmte Genres. Sicher, bei meinen Western war das so. Ich schreibe über das, was mich selbst interessiert und bewegt. Die Kunst besteht für mich allerdings auch darin, seine Anliegen im Korsett eines Unterhaltungsromans unterzubringen. Ich habe zum Beispiel das Genre des „romantischen Abenteuerromans“ erfunden, der Abenteuer und Gefühle vereint. Sach- und Reisebücher entstanden durch mein Interesse an bestimmten Themen und auf meinen zahlreichen Reisen und Aufenthalten in den USA. Weitere Pläne? Eine Romantrilogie über eine Pferderanch, ein historischer Roman, der in Alaska spielt und ja, ich werde noch einen Western schreiben.

KJR: Spannungsreiche Belletristik bildet einen Schwerpunkt Ihrer Arbeit. In jüngerer Zeit schreiben Sie häufiger Romane, deren Handlung mehr oder weniger lose miteinander verbunden ist. Ich denke hier an die in Alaska spielenden Geschichten, die unter Ihren Pseudonym Christopher Ross. Wo sehen Sie die Vorteile eines solchen Handlungskonzepts und was hat Sie dazu getrieben, solch umfangreiche Projekt wie die neuen Klondike-Romane in Angriff zu nehmen?

TJ: Mehrere Bände bieten sich bei einem großen Thema mit interessanten Figuren an – daher auch die vielen Serien der TV-Streaming-Kanäle. Der Klondike-Goldrausch interessiert mich seit meiner Jugend, mit einem erzählenden Sachbuch über das Thema hab ich den Gerstäcker-Preis gewonnen. Auf die Geschichte der Katherine Ryan stieß ich bei Recherchen und habe mich von ihr für meine „Katherine“-Trilogie beeinflussen lassen.

KJR: Die eben erwähnten Geschichten um die Abenteuer einer jungen Frau während des Goldrausches am Klondike können – wie so manches andere Ihre Bücher - irgendwie dem klassischen Western aber auch dem historischen Frauen- und Liebesroman zugeordnet werden. Wie sind Sie dazu gekommen, solche Romane zu schreiben und wo liegen Ihre Vorbilder im Bereich des Western?

TJ: Wie schon gesagt, fallen sie in das von mir erfundene oder sagen wir, geliebte Genre des romantischen Abenteuerromans, der beides verbindet, Spannung und Gefühl. Das Genre, in dem ich mich inzwischen zu Hause und sehr wohl fühle. Und der Erfolg sagt mir, dass es vielen (vor allem) Leserinnen genauso geht. Vorbilder habe ich nicht direkt. Aber meine Lieblingsautoren im Bereich des Western sind Will Henry/Clay Fisher und Lewis B. Patten.

KJR: Der traditionelle Western wird von Literaturwissenschaftlern auch als eine spezielle Manifestation des amerikanischen Gründungsmythos gesehen (z.B. Peter Bischoff). Ähnliches klingt auch schon bei Frederick Jackson Turner in seiner – inzwischen teils als überholt geltenden Konzeption der Frontier-Hypothese an. Wie stehen Sie zu solchen Äußerungen?

TJ: Die amerikanische Demokratie gründet sich nicht nur auf die sogenannte „Frontier“, sondern auch auf den Irokesenbund. Die ungeschriebene Verfassung dieser Ureinwohner galt auch als Vorbild für die amerikanische Verfassung. Die Besiedlung des amerikanischen Western begründete die Legende, frei nach dem Zitat des Zeitungsverlegers aus „Der Mann, der Liberty Valance erschoss“: „Wenn du die Wahrheit kennst, drucke die Legende.“

KJR: Neben traditionellen Western finden wir auf dem Markt Western, die vor dem Hintergrund der heutigen Gegenwart angesiedelt sind, Western mit Horrorelementen, Adult Western oder Southern (Western, die südlich des Rio Grande spielen), Northern (Handlungsorte: Kanada und Alaska) und selbst in Australien spielende Western. Was halten Sie von solchen Randerscheinungen des Genres und schreiben Sie selbst so etwas?

TJ: Meine Alaska- und Kanada-Romane haben etwas von einem „Northern“. Adult- und Sex-Western finde ich albern, weil sich Western und Sex eigentlich widersprechen, mit Horror und Fantasy konnte ich noch nie etwas anfangen, egal in welcher Form.

KJR: Sie haben über lange Zeit die inzwischen klassische Reihe der Heyne-Western herausgegeben. Heute wird immer wieder, z.B. im Internet oder an anderer Stelle, eine Krise des Western bzw. ein fehlendes Publikumsinteresse beklagt. Wie schätzen Sie die derzeitige Marktlage ein, und welche Ratschläge würden Sie einer/einem jungen Kollegin/Kollegen geben, der sich dem Schreiben von Western widmen möchte?

TJ: Für Western gibt es nur eine kleine Nische, selbst in den USA findet man in den Buchhandlungen kaum noch Western. Der Trend zeigt aber nach oben. Erfolgreiche Filme und TV-Serien wie „1883“, eine der besten TV-Serien überhaupt, deuten eine Wiedergeburt an. Das mag auch an der politischen Lage liegen, die USA besinnen sich wieder mehr auf sich selbst, blenden die hässlichen Bilder der Vergangenheit aus (keine Bücher über Sklaverei in Schulbibliotheken, ein Skandal!) und feiern ihre Größe und Überlegenheit. Einer jungen Autorin oder einem Autor würde ich nicht speziell zu einem Western raten. Ich würde ihm sagen, schreib vor allem das, was dir gefällt, und schiele nicht auf angebliche Trends (wie die meisten deutschen TB-Verlage)

KJR: Ihre Bücher erscheinen heute zumeist als Hardcover, es gibt/gab allerdings auch Taschenbücher Romanhefte (nicht nur aus dem Westernbereich) und Ebooks, Für Sammler sind Ebooks einfach nur katastrophal, man erwirbt bloß ein Nutzungsrecht und darf diese Dateien nicht besitzen und erst recht nicht weiterverkaufen. Dieser unhaltbare Zustand sollte m. E. Schnellstens beendet werden. Als ‚Lesefutter‘ sind Ebooks inzwischen allerdings etabliert und haben somit auch ihre Berechtigung. Liebevoll gemachte Paperbacks oder Hardcover sind hier etwas ganz anderes. Das bringt mich zum Thema der Veröffentlichungsformen. Wo sehen Sie hier die besten Chancen? Welche Veröffentlichungsformen bevorzugen Sie?

TJ: Beides muss möglich sein. E-Books für den schnellen Konsum von Unterhaltung im Urlaub oder mit Wiederveröffentlichungen längst vergriffener Bücher, und Paperbacks und Hardcover. Ich bin kein E-Book-Leser, hab’s probiert und werde damit nicht warm. Außerdem hab ich ein Buch, das ich mag, gern im Regal stehen. Frei nach Simon & Garfunkel: „I have my books and my poetry to protect me.”

KJR: Stichwort Übersetzungen. Einige Ihrer Titel sind auch in englischer Sprache erschienen, von englischen Autoren, wie Ben Bridges, sind Übersetzungen ins Deutsche angekündigt. Sehen Sie gute Chance für solche Übertragungen? Hierbei würde mich vor allem der Aspekt‚ deutschsprachige Originale in englischsprachiger Fassung‘ interessieren.

TJ: Ich habe zwei Romane bei einem großen Verlag in den USA veröffentlicht, beide in Zusammenarbeit mit einem amerikanischen Autor. Liefen okay. Englischsprachige Übersetzungen von deutschen Romanen haben nur geringe Chancen in den USA, davon kann sogar Cornelia Funke ein Lied singen.

KJR: Thomas Jeier hat im Lauf der Jahre so manches Pseudonym genutzt. Können Sie uns einige nennen und warum und wann haben Sie überhaupt Decknamen benutzt?

TJ: Christopher Ross, Mark L. Wood (für Western), Sheriff Ben (bei Schneider-Büchern), Daniel Ross (Bastei-Jugendbücher), Karen Wynne, Markus Steiner (zwei Alpen-Krimis), Jonathan Lenz. Mark L. Thomas. Waren sicher noch ein paar mehr.

KJR: Wie lebt ein Autor unterhaltender Belletristik? Ein wenig Homestory interessiert immer.

TJ: Bis vor Corona im Münchner Exil und drei bis vier Monate on the road in den USA und Kanada, jetzt meist zu Hause. Täglich am Schreibtisch, auch m Wochenende, aber regelmäßige Ausflüge zu Eintracht-Spielen in meiner Heimatstadt Frankfurt und zum Enkel nach Österreich. Die USA locken wieder ... mal sehen.

KJR: Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft – privat und als Autor?

TJ: Gesund bleiben (hab schon ein, zwei Krisen überstanden. Noch ein paar gute Bücher schreiben. Viel lesen. Viel Sushi essen. Von der Weltlage wollen wir nicht reden.

Ich danke für die bereitwillige Beantwortung meiner teils indiskreten Fragen!



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