Samstag, 25. März 2023

Ein Dutzend Fragen an Anton SERKALOW - Das Interview


 Ein Dutzend Fragen an ANTON SERKALOW


Anton Serkalow (Pseudonym)  [as] (geb. 1968) - als Verfasser von Taschenbüchern und Ebooks bekannt - hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, ein paar Fragen von Dr. Karl Jürgen Roth [kjr] zu beantworten. Das Exklusiv-Interview für PoMeWe wurde am 22. März 2023 geführt.


KJR: Ich habe einige Werke aus Ihrer Feder mit Interesse und Gewinn gelesen. Dabei entstand für mich die eine oder andere Frage. Der Schwerpunkt Ihrer schriftstellerischen Arbeit liegt im Bereich der unterhaltenden Belletristik darunter auch einige Western. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen und warum schreiben Sie Wildwestromane? Erzählen doch bitte etwas über Ihren schriftstellerischen Werdegang?

AS: Ich fange mal spät an, da es Anton Serkalow als Autor erst seit knapp 2016 gibt. Vorher habe ich viele Jahre unter meinem bürgerlichen Namen veröffentlicht, aber ganz andere Sachen. Zum Schreiben gekommen, bin ich aber ganz klassisch, weil ich bestimmte Sachen lesen wollte, die ich irgendwie nicht in die Finger bekam. Als Jugendlicher in der DDR wollte ich was mit Apachen lesen. Gab es nicht, also habe ich damals angefangen, mit dem Füllfederhalter mein erste eigene Wild-West-Geschichte in ein liniertes Schreibheft zu schreiben.

2016 als Anton Serkalow wollte ich nach der Lektüre von „Niceville“ von Carsten Stroud, wieder so einen abgedrehten Genremix aus Western, Horror, Twin Peaks etc. lesen. Gab es nicht, also habe ich die „Vakkerville Mysteries“ geschrieben und veröffentlicht. Später las ich, dass es von Robert McCammon (der mit seinen fantastischen, historischen Romanen um Matthew Corbett auch in Deutschland ganz erfolgreich ist) eine Geschichte „I travel at Night“ gibt. Über einen Gunslinger, der ein Vampir ist und so durch den Wilden Westen zieht. Nun reicht mein Englisch gerade mal für ein paar „Jonah Hex“ Hefte, wo Lansdale die Texte geschrieben hat, aber das Genre Western, bzw. Western gemixt mit anderen Elementen, wollte ich weiter lesen, also habe ich die „Nighthunter“ geschrieben und veröffentlicht.

KJR: Neben Western haben Sie Bücher geschrieben, die anderen Genres der unterhaltenden Literatur zuzuordnen ist. Welche Schwerpunkte setzen Sie hier und wie sehen Ihre weiteren Pläne für abenteuerliche Geschichten oder unterhaltende Belletristik aus? Sind hier Überraschungen zu erwarten?

AS: Ich sehe da gar nicht mal so große Unterschiede. Der Oberbegriff der Geschichten ist „Fantasy“ oder „Fantastik“. Wobei ich da sowieso schon eine andere Sichtweise als fast alle Literaturtheoretiker*innen habe. Für mich ist im Grunde jeder Roman, jede erzählte Geschichte Fantastik. Auch die, die behaupten, authentisch zu sein. Wenn es keine Reportage, kein Interview, keine Dokumentation ist, ist es Fantastik. Eine erzählte Geschichte. Denn das tun wir Menschen. Wir erzählen uns eine Geschichte. Selbst das Paar, das vor dem Architekten sitzt, der ihr Eigenheim planen soll und ihm erzählen, wie sie sich das Kinderzimmer, für das noch nicht gezeugte Kind vorstellen … sie erzählen eine Geschichte. Fantasie. Vorstellung. Träume.

Der Schwerpunkt der Geschichten, die ich erzähle, liegt aber immer darin, dass ich in meinen Settings das Übernatürliche, als gegeben hinnehme. Was streng genommen, die Umschreibung für das Genre „Horror“ ist. Ich denke bei „übernatürlich“ aber nicht unbedingt nur an Monster und Dämonen. Sondern auch an Traumwanderer, Magie, Vorhersehung, Seelenverwandschaft etc. Insofern sind keine Überraschungen zu erwarten, da ich jetzt erst einmal für den BLITZ Verlag eine Serie nach „Lovecraft Motiven“ konzipiere, die im heutigen Deutschland spielt, also den „Wilden Westen“ zunächst verlasse aber dem Fantastischen treu bleibe.

KJR: Western bilden einen gewissen Schwerpunkt Ihrer Arbeit. In jüngerer Zeit schrieben Sie häufiger Romane, deren Handlung thematisch bestimmten Schwerpunkten zugeordnet werden kann. Wo sehen Sie die Vorteile und was hat Sie dazu getrieben, Western zu schreiben?

AS: Am Western reizen mich als Geschichtenerzähler mehrere Dinge: Vorab muss ich erklären, dass ich den den Begriff „Western“ bzw. „Wilder Westen“ übrigens sehr eng fasse: Also so von ca. knapp vor Beginn des Amerikanischen Bürgerkrieges, bis knapp an den Anfang des 20sten Jahrhunderts. Sagen wir mal, als Geronimo sich mit dem Auto fotografieren ließ, war es vorbei. Auf dieser Grundlage, stellt sich mir der „Wilde Westen“ als eine Episode in unserer Geschichte dar, in der auf relativ geringem Raum (global betrachtet) und innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne (erdgeschichtlich betrachtet), so viele extrem unterschiedliche Lebensweisen, Ansichten, Entwicklungsstand, Religionen und und und aufeinandergeprallt sind. Ich sage nur: Beginnendes industrielles Zeitalter trifft auf steinzeitliche Jäger- und Sammlerkultur. Menschen sind aus dem fortschrittlichen, teilweise demokratischen Europa ausgewandert und haben da drüben teilweise feudalistische Zustände geschaffen usw. Viele sind wahrscheinlich wirklich mit hehren Absichten rüber gegangen aber … das Land hat ihr Innerstes aus ihnen herausgeholt und das war leider nicht immer das positivste am Menschen.

Das bietet unendliches Konfliktpotential. Und Konflikte, innere wie Äußere und die Auseinandersetzung mit beiden, sind die Motoren spannender Erzählungen.

Das nächste ist, dass der „Western“ als Erzählung für mich so herrlich archaisch und damit auch ursprünglich ist. Der Western ist Shakespeare in Reinform. Ach, was sage ich? Im Grunde ist der „Western“ganz nah an der griechischen Tragödie, die wiederum zusammen mit der Komödie, die Grundlage aller Erzählweisen ist, derer wir uns noch heute bedienen. Ja, sagen wir statt „Archetypen“ „Klischees“, na und? Beides dient im erzählerischen nur der Vereinfachung. Statt stundenlangem Rumgelabber, kann ich schnell auf den Punkt kommen. Show don’t tell ist eine der wichtigsten Schreibregeln, die im „Western“ sehr gut angewandt werden kann. Und andererseits kann man mit diesen Klischees eben auch herrlich spielen. Sie brechen.

Was mich noch am „Western“ fasziniert ist, die Tatsache, dass der Mythos des „Western“ schon erzählt wurde, als der „Wilde Westen“ noch existierte. Es gab Dimenovels über Wild Bill Hickok, in denen erzählt wurde, dass er X-hundert Leute erschossen hat. Dabei waren es „nur“ sieben. Und Hickok hat noch gelebt. Ich meine, die Leute hätten sich ohne weiteres über die Wirklichkeit informieren können, doch sie haben lieber das geglaubt, was ihnen Buffalo Bill in seinen Shows gezeigt und diverse Autoren in den Dimenovels erzählt haben. Da sind wir doch ganz nah dran an „Fake News“ und sog. „alternativen Fakten“. Genau unter diesem Gesichtspunkt finde ich den Western hochaktuell. Aber grundsätzlich reizt mich als Autor dieses Spiel mit der Realität und den Legenden immer. Denn, wie ich schon oben schrieb, jede Erzählung, jede Geschichte ist letztendlich nur das. Eine Geschichte. Niemals ein Abbild der Wirklichkeit und schon gar nicht diese selbst.

KJR: ‚Weird Western‘ – dazu gibt es eine umfangreiche englischsprachige Enzyklopädie von Don Green – sind mir in deutscher Sprache erstmals mit Romanen wie Thomas Mayne Reids „Der Reiter ohne Kopf“ (The Headless Horseman) bzw. der schönen Geschichte Will Henrys „Der Geisterwolf vom Thunder Mountain“ begegnet. Später gab es dann im Bereich der Romanhefte Grusel- und Geister-Western. Wie sind Sie dazu gekommen, selbst ‚Weird Western‘ zu schreiben, was fasziniert Sie an diesem Subgenre und wo liegen Ihre Vorbilder im Bereich des Western?

AS: Als ich die „Nighthunter“ Serie damals konzeptionierte, war dies zunächst tatsächlich so etwas wie Faulheit. Ich wollte Fantasy schreiben, aber nichts, was mit Mittelalter, Elfen, Orks und ähnlichem zu tun hat. Weil mich das als Leser langweilte, dass es da tausendjährige Reiche gibt, in denen aber kein technischer Fortschritt stattfindet. Brandon Sanderson war der erste Autor, den ich las, der genau das kritisierte und eine seiner Stories in einem Setting ansiedelte, dass eine Mischung aus Wild West und beginnender Industrialisierung, mit Gewerkschaften etc. darstellte.

Mit dem „Wilden Westen“ bot sich mir eine ziemlich exakt dokumentierte Welt, in der ich an einem Punkt eine kleine Änderung vorgenommen habe. Ich setze in meiner Serie voraus, dass es das „Übernatürliche“ gibt. Die ausgewanderten ehemaligen Europäer haben es längst verloren, die Kirche, die Inquisition hat es ihnen „ausgetrieben“. Und auf der anderen Seite stehen die Stämme, deren Medizinfrauen und Männer tatsächlich Magie beherrschen. Es gibt all die guten und bösen Geister und Dämonen aus den Mythen der Natives. Es gibt unverwundbare Krieger und Donnervögel … so habe ich für meine Serie ein Ausgangsszenario geschaffen, in dem all die historisch verbürgten Konflikte zwar vorhanden sind, aber gerade ein sehr fragiles Gleichgewicht existiert.

Die Idee dazu habe ich aus der Comicserie „East of West“, eine postapokalyptische Wild-West-Story mit Fantasy - und Horrorelementen, in denen der sog. „ewige Stamm“ eine Mischung aus Magie und Mikroelektronik, Cyberspace und Cyberwaffen beherrscht, was ihn sehr mächtig macht. Das erinnerte mich an „Wakanda“ aus dem Marveluniversum und ich finde einfach, dass den Natives langsam mal eine andere Rolle zugedacht werden sollte, als bisher. Auch wenn das arrogant erscheinen mag, weil da jetzt der unbedeutende Anton Serkalow aus Deutschland daherkommt und ...

KJR: Der traditionelle Western wird von Literaturwissenschaftlern auch als eine spezielle Manifestation des amerikanischen Gründungsmythos gesehen (z.B. Peter Bischoff). Ähnliches klingt auch schon bei Frederick Jackson Turner in seiner – inzwischen teils als überholt geltenden Konzeption der Frontier-Hypothese an. Wie stehen Sie zu solchen Äußerungen?

AS: Ich würde schon sagen, dass es das voll auf den Punkt bringt. Der Western als solcher hat ja den Gründungsmythos überhaupt erst möglich gemacht. Durch die Shows von Buffalo Bill, die ja Grundlage der späteren Hollywoodwestern waren und all der Dime Novels, gelang es meiner Meinung nach überhaupt, das Schreckliche zu ertragen, das Gewissen reinzuwaschen. Ich denke, dass auch damals viele Menschen gelebt haben, die irgendwie gespürt haben, dass es nicht richtig ist, was sie tun. Und die Mythen, die sie sich damals schon erzählten, dass die „Indianer“ eben keine Menschen sind, dass man Schwarze überhaupt nicht vorkommen lässt, dass „gottgegebene Recht“ dieses Land zu besiedeln usw., dass die es eben mit möglich machten, den Völkermord und die Unrechtmäßigkeit der Sklaverei neben vielen anderen Verbrechen, zu verdrängen, zu rechtfertigen. Sich schön zu reden.

Ich kenne das aus Namibia, zu dem ich mehr Bezug als zu den USA habe. Noch heute erzählen sich viele weiße, deutschsprachige Leute dort eine Geschichte von dem „Krieg“ mit den Nama und den Herero, die soweit weg von der Realität ist und reden lieber darüber, dass ja die Deutschen mit ihrer Ingenieurskunst erst Brunnen gebaut und Diamanten abgebaut haben … So erzählt der Western halt von den Pionieren, die das Land besiedelt haben, die Zivilisation aufgebaut haben und verschweigt, bzw. färbt den Genozid, die Sklaverei, die Menschenrechtsverletzungen, die feudalistischen Auswüchse und und und … schön.

Ich habe das Gefühl, dass der Western da tatsächlich ein Paradebeispiel an „alternativen Fakten“ ist. Nehmen wir doch nur mal die Tatsache, dass wir heute wissen, dass mindestens zwei Drittel der Cowboys nicht weißer Hautfarbe waren. In wie vielen Western wurde das denn bisher so dargestellt? Insofern, ja. Der Western ist wichtig für den amerikanischen Gründungsmythos.

In meinen Augen gibt es z.B. unter anderem auch deswegen keinen „historischen“ Western. Denn die Quellen auf die wir zugreifen können, sind bereits durch den Blick der Autoren, die zum größten Teil eben wirklich weiß und männlich waren (im wahrsten Sinne des Wortes) eingefärbt. Der Anspruch historisch authentisch zu schreiben ist in meinen Augen eine Illusion. Darum finde ich es reizvoller mit eben den Mythen zu spielen, sie zu zerstören, neu anzuordnen. Wir sollten heute den Western von all diesen Lügen „reinigen“, bzw. wenigstens als Autor*innen mit ihnen spielen, statt sie weiterhin ungefiltert nachzukauen. Der Western ist ein Märchen für Erwachsene. Nicht mehr und nicht weniger. (Das stammt nicht von mir, aber ich bin mir nicht sicher, von wem es ist. Sergio Leone?) Bei den von den Gebrüdern Grimm gesammelten und veröffentlichten Märchen kommt doch auch niemand auf die Idee, zu behaupten, er hätte die historischen Wahrheiten gefunden und schreibt deswegen jetzt eine historisch-korrekte Version von z.B. „Rotkäppchen“, oder?

KJR: Neben traditionellen Western finden wir auf dem Markt Western, die vor dem Hintergrund der heutigen Gegenwart angesiedelt sind, Western mit Horrorelementen, Adult Western oder Southern (Western, die südlich des Rio Grande spielen), Northern (Handlungsorte: Kanada und Alaska) und selbst in Australien spielende Western. Was halten Sie von solchen Randerscheinungen des Genres und schreiben Sie selbst so etwas?

AS: Na ja. Allein dadurch, dass ich mich ja dem „Weird Western“, also Western mit Horrorelementen verschrieben habe … grundsätzlich bin ich sehr für Genremischungen, Grenzsprenungen und das Verlassen von Schubladen. Ja, ich weiß, ich habe oben gesagt, dass ich den Western sehr eng definiere. Darum bin ich der Meinung, wenigstens ein paar Elemente sollten bleiben. Landschaft z.B., die meiner Meinung nach extrem wichtig für das Storytelling eines Western ist. Darum mag ich z.B. nicht von „Südwestern“ sprechen, wenn ich Stories lese, die im damaligen sog. „Deutsch Südwest Afrika“, also dem heutigen Namibia spielen. Dort lagen ganz andere Voraussetzungen vor, die eben meiner Meinung nach für den Western aber wesentlich wären. (Siehe wieder meine Aussage oben.)

KJR: Immer wieder wird z.B. im Internet oder an anderer Stelle eine Krise des Western bzw. ein fehlendes Publikumsinteresse beklagt. Wie schätzen Sie die derzeitige Marktlage ein, und welche Ratschläge würden Sie einer/einem jungen Kollegin/Kollegen geben, der sich dem Schreiben von Western widmen möchte?

AS: Puh. Das ist schwer. Also … ich habe mittlerweile auch Kontakt zu amerikanischen Westernautoren und weiß, dass das Genre auch in seinem Herkunftsland nur noch ein Nischengenre ist. Was sich da aber immer noch rechnet, da der englischsprachige-amerikanische Markt eben um so viel größer ist, als der deutschsprachige. Für hier, also für Deutschland sehe ich das schon so: Der „Western“ ist nicht das Gerne, dass in Deutschland den meisten Umsatz bringt. Nicht als Buch, nicht als Comic und auch nicht als TV-Serie oder Film, da wir da ja eh so gut wie keine Eigenproduktionen haben.

Er ist noch da, ja, aber er dümpelt irgendwo am Rande herum. Vielleicht ist er nicht tot, aber viel Leben ist in seinem Kadaver nicht mehr. Aber er ist zäh.

Und das ist nicht die Schuld der bösen großen Verlage, die sich nichts trauen. Das liegt einfach daran, dass es den größten Teil der Leser*innen im deutschen Sprachraum wirklich nicht mehr interessiert. Ich meine, schauen wir uns doch mal an, wer sich an der unseligen „Winnetou – Debatte“ letzten Sommer beteiligt hat? Das waren doch tatsächlich nur so „alte“ Leute, wie ich selbst einer bin, als „alter, weißer cis Mann“.

Und große Verlage sind nun einmal in erster Linie Wirtschaftsunternehmen. Darum machen die einfach keine Western mehr. Lohnt sich nicht.
Ja, es gibt dann ab und zu mal so erfolgreiche Sachen wie „Deadwood“, „Yellowstone“, „Godless“ usw. Aber hey, das sind Filme, bzw. TV-Serien! Das ist tatsächlich ein völlig anderer Markt, als der Buchmarkt. Und vor allem sind diese Produktionen in den USA weitaus erfolgreicher, als hier. So erfolgreich, dass wir hier in Deutschland Glück haben, dass die Fernsehsender uns eine Synchronisierung spendieren.

Aber im Großen und Ganzen schätze ich das schon so ein, dass der „klassische Western“ als Genre im deutschsprachigen Raum eher ein „Nerdding“ ist. Woran er (bzw. die Autor*innen und Verlage) vielleicht sogar selbst Schuld ist, da er leider wirklich oft sehr konservativ bis reaktionär wirkt.

Dennoch findet er seine Leser*innen.

Denn genau darum kümmern, sich kleinere Verlage, bzw. Selfpublisher. Die können so eine Nische bedienen und dennoch auf einen gewissen „grünen Zweig“ kommen kann. Einfach, weil sie viel geringere Kosten als ein Unternehmen wie „Random House“ haben.

Die großen Erfolge sollte man allerdings nicht mehr erwarten. Ich meine, ich habe mal gelesen, was U.H. Wilken einst für seine Manuskripte bekommen hat. Wissen Sie, was der Basteiverlag heute für ein Skript zahlt? Da wird man schnell um etliche Illusionen ärmer.

Aber die Motive des Westerns findet man noch überall, was meiner Meinung nach eben mit der klassischen Erzählung und den Archetypen zu tun hat. Insofern, kein Grund, die Finger davon zu lassen. Man muss eben nur schauen, wie man es erzählt und was man erwartet. Erfolg? Ruhm? Reichtum? Oder doch nur ein paar tausend Leser*innen?

1000 sind für einen Selfpublisher schon viel. Bei den Amazontantiemen für’s Ebook ist das ein gutes Taschengeld. Für einen sog. „großen“ Verlag ist das absolut nichts. Die fangen erst bei über 50000 an, von Erfolg zu reden. Zwischen 10000 und 50000 ist man sog. „Midlistautor“. Darunter fliegt man gleich raus. Und ich bin mir sicher, das bringt kein Western heute mehr in Deutschland. Bastei hat selbst „Three Oaks“ eingestellt und das war ein wirklich richtig guter, geschriebener Western. Aber eben auch nicht unbedingt der klassische Western. Und die Xte Wiederauflage eines alten Heftromanwesterns, ich bin mir sicher, dass eben auch das nur ein Nischenprodukt ist.

Aber was ich als Tipp allen Autor*innen mit geben mag ist: Lerne auf jeden Fall schreiben. Du musst das Handwerk beherrschen. Wenn dir gute Schreibworkshops zu teuer sind, lies wenigstens James N. Frey, Sol Stein und Stephan Waldscheidt. Dann schreibe, das was du lesen willst! Dann lass es lektorieren und mit einem vernünftigen, markttauglichen Cover (das muss nicht unbedingt das sein, was dir gefällt) versehen und veröffentliche es. Aber auch erst dann! Jede gute Geschichte findet ihre Leser*innen. Ob du dann bei einem kleinen Verlag unterkommst, der eine Nische bedient, oder als Selfpublisher dir ein Taschengeld dazu verdienst, das wird sich dann finden. Vielleicht hast du ja auch Glück und du schreibst den einen Western, der plötzlich das große Revival einläutet und wirst reich, berühmt … ich gönne es dir!

KJR: Ihre Western erscheinen zumeist als Paperbacks und Ebooks. Für Sammler sind Ebooks einfach nur katastrophal, man erwirbt bloß ein Nutzungsrecht und darf diese Dateien nicht besitzen und erst recht nicht weiterverkaufen. Dieser unhaltbare Zustand sollte m. E. Schnellstens beendet werden. Liebevoll gemachte Paperbacks oder Hardcover sind hier etwas ganz anderes. Das bringt mich zum Thema der Veröffentlichungsformen. Wo sehen Sie hier die besten Chancen? Welche Veröffentlichungsformen bevorzugen Sie?

AS: Ich selbst lese seit Anfang 2013 nur noch (außer bei Comics) Ebooks. Habe da also schon eine andere Sichtweise. Für mich kann ich z.B. sagen, dass ich seitdem ich den Kindle habe, wieder viel mehr lese. Mittlerweile nutze ich ihn auch als Arbeitswerkzeug für meine eigenen Skripte. Auf der anderen Seite habe ich mein Calibre aber auch so programmiert, dass es wie ein Bücherregal aussieht und lege sehr großen Wert darauf, dass die Ebooks vernünftige Cover haben. Das mit dem Nutzungsrecht wird ja zum Glück mittlerweile etwas aufgebrochen. Viele Verlage verzichten schon offiziell auf den Kopierschutz und somit erwirbt man wirklich eine Kopie der Datei, die einem dann auch niemand mehr wegnehmen kann.

Als ich 2016 anfing wieder zu veröffentlichen, habe ich mich zunächst ausschließlich auf Ebooks und dort auf Amazon konzentriert. Im Kindle-Unlimited sah und sehe ich z.B. sehr große Chancen, um als Autor überhaupt erst einmal bekannt zu werden. Mittlerweile schreibe ich auch für BLITZ und da ist das Konzept von Jörg ja bisher gewesen, sich mehr auf die Taschenbücher, die es auch nie im „richtigen“ Buchhandel gibt, zu konzentrieren. Etwas, was mich wiederum an mich, als Selfpublisher erinnerte. Ich hatte nie den Anspruch oder die Illusion im Buchhandel im Regal zu stehen.

Meiner Meinung nach, wird die Buchbranche eine ähnliche Entwicklung nehmen, wie die Musikbranche. Es wird Streamingdienste mit Flatrates (Kindle Unlimited) geben, es wird live auftretende Autor*innen geben, die bei Poetryslams und Lesebühnen T-Shirts und Kaffeetassen verkaufen. Es wird Ebooks, also das Äquivalent zu mp3 und wav Dateien, geben. Es wird aber auch weiterhin Paperbacks und hochwertige Hardcover geben, so wie es eben immer noch CDs, ja sogar Vinyl gibt.

KJR: Stichwort Übersetzungen. Streben Sie Übersetzungen in andere Sprachen an?. Sehen Sie gute Chance für solche Übertragungen? Hierbei würde mich vor allem der Aspekt ‚deutschsprachige Originale in englischsprachiger Fassung‘ interessieren.

AS: Oh, ich habe mal meine Fühler in die Richtung ausgestreckt und bin ganz schnell davon abgekommen. Denn es ist nicht mit einer Übersetzung und einer Publikation via Amazon.com getan. Die Übersetzung allein hätte mich aber schon derart viel gekostet. Also eine wirklich gute Übersetzung, die es schafft, meine „Weird Western“ in einen „Lansdale Tonfall“ zu übersetzen. Nein. Um in den USA Fuß zu fassen, bedarf es außerdem noch viel Zeit und Energie, oder jemanden drüben vor Ort, der das für mich erledigt und der muss bezahlt werden. Social Media spielt für die Leser*innen - Gewinnung da drüben noch mal eine ganz andere, viel bedeutendere Rolle als hier. Dazu hab ich gar keinen Nerv. Es gab mal einen sehr guten Artikel von Joshua Three, einem erfolgreichen Selfpublisher im Science Fiction, der darüber geschrieben hat, wie er es in den USA geschafft hat und da konnte ich nur sagen: „Nein. Danke. Dafür mag ich nicht auch noch Energie und Geld verwenden.“

KJR: Hat Anton Serkalow Pseudonyme genutzt? Wenn ja, können Sie uns einige nennen und warum und wann haben Sie überhaupt Decknamen benutzt?

AS: Anton Serkalow ist das einzige Pseudonym, das ich nutze und es ist ein geschlossenes Pseudonym. Als ich damit startete, diente es mir als Schutz (aus psychischen Gründen) und, da ich damals offiziell noch bei einem Verlag mit der sog. „Optionsklausel“ unter Vertrag war. Mittlerweile habe ich mich damit aber so gut eingerichtet, dass ich es beibehalte. Allein deswegen, weil das, was ich 13 Jahre lang unter meinem bürgerlichen Namen veröffentlicht habe, absolut nichts mit dem zu tun hat, was jetzt Anton Serkalow schreibt, so dass die „Lüftung des Geheimnisses“ echt niemanden etwas nützen würde.

KJR: Wie lebt ein Autor unterhaltender Belletristik? Ein wenig Homestory interessiert immer.

AS: Ich sage es immer gerne so. Meine Frau und ich, wir haben die klassische Rollenverteilung, nur eben, dass sie die typische Männerrolle innehat. Sie ist selbstständige Dipl. Psychologin mit eigener Praxis, verdient das Geld. Ich kümmere mich um Haus, Hunde, Hof, Garten, Hausarbeit etc. und damit mir in meiner Freizeit nicht allzu langweilig wird, veranstalte ich „Tupperwareparties“ bzw. betreibe einen „Schönheitssalon“ im Keller, der keinerlei Einnahmen bringt. Nur, dass es eben Bücher schreiben ist. Aber im Schreiben habe ich einen sehr hohen professionellen Anspruch an mich. Ich habe einen geregelten Tagesablauf aus Joggen, Hausarbeit, Hundezeit, Schreiben usw. und ein Tagesziel (Anzahl Anschläge), dass ich mir selbst setze. Meist schreibe ich an drei, bis vier Sachen gleichzeitig, abwechselnd, um jede Form von Schreibblockade zu vermeiden. Ich habe mal gelernt, dass Schreibblockade nichts anderes, als eine Form von „Betriebsblindheit“ ist und durch eben solche festen Abläufe und Regeln verhindert werden kann.

KJR: Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft – privat und als Autor?

AS: Privat? Das alles so bleibt wie es ist! Vielleicht würde ich gerne irgendwann mal mehr, bzw. öfter, z.B. jedes Jahr für ein paar Monate nach Namibia. Mich interessiert die gemeinsame Geschichte und fasziniert das Land und die Menschen an sich. Aber das ist auch schon wieder etwas für meine Autorenzukunft, denn natürlich würde ich darüber schreiben.

Aber sonst, als Autor? Ich habe mir für dieses Jahr vorgenommen, noch mehr zu schreiben und zu veröffentlichen. Jetzt, wo ich mit Hörspielskripten angefangen habe, hat sich da noch mal einiges an Potential aufgetan und wer weiß: Vielleicht schaffe ich es ja dann doch, mit der Mischung aus Selfpublishing, Autor für kleinere Verlage und Hörspielskripten, ja vielleicht sogar noch ein paar Sachen für Bastei Romanhefte usw. ein kleines Taschengeld oben drauf zu verdienen. Den Traum, davon allein leben zu können, habe ich mir abgeschminkt. Aber auch deswegen, weil es mir wirklich zu stressig wäre. Ich weiß, was ein mir bekannter Autor für seine Skripte bei Bastei bekommt und damit weiß ich auch, wie viel er im Monat abliefern muss, um als Selbstständiger über die Runden zu kommen. Da finde ich es für mich dann doch schöner, dass ich in der glücklichen Situation bin, nicht vom Schreiben leben zu müssen und mir lieber „den Bauch pinseln lasse“, in dem ich von den Verlagen, Hörspielproduktionsfirmen ein Festhonorar bei Abnahme des Skriptes und als Selfpublisher meine 70% Tantiemen für die Ebooks bei Amazon bekommen. Das muss sich ja irgendwann mal auszahlen.

Hach, ich würde jetzt nur noch was von Frieden, Liebe und Gesundheit schreiben, aber das nimmt mir keiner ab, oder?

KJR: Ich danke für die bereitwillige Beantwortung meiner teils indiskreten Fragen!

AS: Ich danke, für die Chance, meine Gedanken zu teilen und indiskret … da wurde ich aber schon ganz andere Sachen gefragt.:-)