Donnerstag, 9. März 2023

Ein Dutzend Fragen an Alfred Wallon - Das Interview


 Ein Dutzend Fragen an ALFRED WALLON


Alfred Wallon [aw] (geb. 1957) - als Verfasser zahlreicher Taschenbücher, Hardcover und Romanhefte bekannt - hat sich dankenswerterweise bereit erklärt, ein paar Fragen von Dr. Karl Jürgen Roth [kjr] zu beantworten. Das Exklusiv-Interview für PoMeWe wurde am 8. März 2023 geführt.


KJR: Ich habe zahlreiche Ihrer Romane mit Interesse und Gewinn gelesen. Dabei entstand für mich die eine oder andere Frage. Der Schwerpunkt Ihrer schriftstellerischen Arbeit liegt im Bereich der unterhaltenden Belletristik und dabei insbesondere im Bereich des Western. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen und warum schreiben Sie Wildwestromane? Erzählen doch bitte etwas über Ihren schriftstellerischen Werdegang?

AW: Ich habe schon immer gern gelesen. Und zwar das, was es bei uns im Hause gab. Das waren in erster Linie die Westernromane meines Vaters. Er sagte zwar immer, ich solle das doch lassen und lieber ein gutes Buch lesen. Aber leider ist daraus nichts geworden. Ich wartete, bis er seinen Schichtdienst antrat und habe mir dann mal ein Bild von seinen Romanbeständen gemacht. Da war ich gerade mal 12 Jahre alt.

Irgendwann habe ich beim Lesen wissen wollen, ob das denn auch alles historisch stimmt. Und so beschäftigte ich mich mit der amerikanischen Pioniergeschichte. Damals war das noch sehr schwer, an entsprechende Bücher zu kommen. Geschrieben habe ich schon zu Schulzeiten. Damals entstanden etliche kurze Romane auf einer alten Olivetti-Reiseschreibmaschine, die bis heute nirgendwo veröffentlicht worden sind. Irgendwann muss ich mir das aber mal vornehmen.

1980 hatte ich genügend Wissen angesammelt, um dann einfach mal einen Versuch zu wagen, einen Roman zu schreiben und diesen den damals gängigen Heftromanverlagen anzubieten. Ich wusste nichts, aber auch gar nichts von der Verlagsbranche und dachte einfach, dass das, was ich da geschrieben habe, gut ist. Die Ernüchterung folgte kurz darauf. Es gab Absagen, und erst gegen Ende 1981hatte ich Glück beim Kelter-Verlag in Hamburg, und das auch nur, weil der damals zuständige Lektor historische Romane mochte. Deshalb war ich zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle, wenn man so will.

Es folgten Trucker- und Abenteuer-Romane, Horror, SF & Fantasy, Krimi und Abenteuer und eine nicht unerhebliche Anzahl von Liebes- und Heimatromanen. Dem Heftromangenre blieb ich treu bis 2007 – danach schrieb ich nur noch Taschenbücher, Hardcover und ebooks.

KJR: Neben Western haben Sie so manche abenteuerliche Geschichte geschrieben, die anderen Genres der unterhaltenden Literatur zuzuordnen ist. Welche Schwerpunkte setzen Sie hier und wie sehen Ihre weiteren Pläne für phantastische abenteuerliche Geschichten oder regionale Krimis aus? Sind hier Überraschungen zu erwarten?

AW. Da gibt es noch so einiges, was ich in Angriff nehmen muss. Ich habe vor einigen Jahren zwei Piratenromane geschrieben, der dritte Teil steht noch aus, damit das abgeschlossen werden kann. aber bis jetzt fehlte mir die Zeit dazu. Als ich noch in Hessen lebte, schrieb ich einen Regionalkrimi, der in Marburg spielt. Seit ich im Januar 2014 nach Augsburg gekommen bin, wo ich nun seit 9 Jahren lebe und arbeite, sind 4 Augsburg-Krimis erschienen. Ein fünfter ist in Planung für 2024. Auch mache ich mir Gedanken über eine Fortsetzung meines Romans „Salzburger Albträume“. Die Idee dazu entstand während eines Tagesausfluges in diese wunderschöne Stadt. Und so ein oder zwei weitere Ideen warten auf Umsetzung.

KJR: Western, oft als ‚historische Western‘ bezeichnet, bilden einen Schwerpunkt Ihrer Arbeit. In jüngerer Zeit schreiben Sie häufiger Romane, deren Handlung mehr oder weniger lose miteinander verbunden ist. Ich denke hier an die Texas Ranger-Serie oder auch an die Fortsetzungen des Lobo-Kosmos. bzw. die abschließenden Geschichten von Roncos Tagebuch. Wo sehen Sie die Vorteile eines solchen Handlungskonzepts und was hat Sie dazu getrieben, ein so umfangreiches Projekt wie die Texas-Ranger-Serie in Angriff zu nehmen?

AW. Die Fortsetzung bzw. das Beenden der RONCO-Tagebücher wurden von Dietmar Kuegler und dem BLITZ-Verlag ins Rollen gebracht, und ich war derjenige, den man damit beauftragte. Was für mich eine große Ehre war. Bevor ich das Konzept zu TEXAS RANGER formulierte, schrieb ich eine achtbändige Reihe namens DIE FORTS AM BOZEMAN TRAIL. Da der geschichtliche Hintergrund aber nur wenige Jahre Spielraum bot, war es klar, dass diese Reihe nicht endlos laufen kann. Bei TEXAS RANGER ist das anders. Diese legendäre Polizeitruppe blickt auf eine 200 jährige Geschichte zurück. Davon habe ich gerade mal zwei Jahre in 10 Bänden abgehandelt. Es gibt somit noch sehr viel zu tun.

KJR: Die eben erwähnten Geschichten um Ronco wurden ursprünglich vom kürzlich leider viel zu früh verstorbenen Dietmar Kügler konzipiert und ausfabuliert. Wie sind Sie dazu gekommen, Ihren vierbändigen Abschluss zu Ronco zu schreiben und wo liegen Ihre Vorbilder im Bereich des Western?

AW: Dietmar Kuegler stellte mir einige Exposés der damaligen Heftromanserie zur Verfügung, aus denen ich entnehmen konnte, welche Handlungsfäden noch offen waren. Er ließ mir dabei völlig freie Hand. Es sollte allerdings keine endlose Fortsetzung werden, sondern wir einigten uns auf vier Romane. Die habe ich geschrieben, und es war gar nicht so einfach, das alles zu einem schlüssigen Ende zu bringen. Aber nach Erscheinen der ersten beiden Bände bestätigen mit etliche Leser, das mir das wohl gelungen ist.

Meine Vorbilder sind im deutschsprachigen Raum Dietmar Kuegler, Werner J. Egli und Peter Dubina. Von den amerikanischen Autoren sind es Terry C. Johnston, Elmer Kelton, Jory Sherman und William W. Johnstone.

KJR: Der traditionelle Western wird von Literaturwissenschaftlern auch als eine spezielle Manifestation des amerikanischen Gründungsmythos gesehen (z.B. Peter Bischoff), Ähnliches klingt auch schon bei Frederick Jackson Turner in seiner – inzwischen teils als überholt geltenden Konzeption der Frontier-Hypothese an. Wie stehen Sie zu solchen Äußerungen?

AW: Ich bin kein Literaturwissenschaftler und kenne deren Sicht der Dinge nicht. Frederick Jackson Turner ist ein Name, der mir nicht vertraut ist. Peter Bischoff kannte ich persönlich und erinnere mich noch sehr gut an sein Engagement für das Western-Genre. Ich betrachte den Western als Spannungs- und Unterhaltungsliteratur, der aber auch viele historische Fakten und Ereignisse vermitteln soll.

KJR: Neben traditionellen Western finden wir auf dem Markt Western, die vor dem Hintergrund der heutigen Gegenwart angesiedelt sind, Western mit Horrorelementen, Adult Western oder Southern (Western, die südlich des Rio Grande spielen), Northern (Handlungsorte: Kanada und Alaska) und selbst in Australien spielende Western. Was halten Sie von solchen Randerscheinungen des Genres und schreiben Sie selbst so etwas?

AW: Adult Western sind für mich Romane, mit denen ich nichts anfangen kann. Sie mögen ihre Berechtigung auf dem Markt haben, weil sie sich offensichtlich verkaufen, aber ich gehöre nicht zu der Zielgruppe. Zu Australien habe ich durch den 2003 verstorbenen Countrysänger Slim Dusty eine persönliche Beziehung, wenn man so will. Und die Idee, einen Down Under-Western zu schreiben, befindet sich bereits irgendwo in meinem Kopf.

KJR: Immer wieder wird z.B. im Internet oder an anderer Stelle eine Krise des Western bzw. ein fehlendes Publikumsinteresse beklagt. Wie schätzen Sie die derzeitige Marktlage ein, und welche Ratschläge würden Sie einer/einem jungen Kollegin/Kollegen geben, der sich dem Schreiben von Western widmen möchte?

AW: Ich sehe kein fehlendes Publikumsinteresse, sondern ein mangelndes Fachwissen der Entscheider in großen Publikumsverlagen, die meist einer jüngeren Generation entstammen und – vorsichtig formuliert – über dieses Genre nicht viel oder gar nichts wissen. Es wird ja noch nicht einmal der Versuch unternommen, etwas in dieser Richtung zu unternehmen. Da sind kleinere Verlage weitaus flexibler und schneller.

Es heißt, dass ein Westernautor auch Krimis und Fantasy schreiben kann, aber ein Fantasy-Autor nur schwer oder gar nicht einen Western zu schreiben vermag. Ich habe über 50 Jahre lang Western gelesen und mich damit beschäftigt. So was kann man nicht von heute auf morgen lernen oder gar beherrschen, erst recht nicht, wenn es um historische Western geht. Da bedarf es eines sehr langen Lernprozesses.

KJR: Ihre Western erscheinen zumeist als limitierte Taschenbücher und Ebooks, teils auch in Hardcoverausgaben und früher als Romanhefte. Für Sammler sind Ebooks einfach nur katastrophal, man erwirbt bloß ein Nutzungsrecht und darf diese Dateien nicht besitzen und erst recht nicht weiterverkaufen. Dieser unhaltbare Zustand sollte m. E. Schnellstens beendet werden. Liebevoll gemachte Paperbacks oder Hardcover sind hier etwas ganz anderes. Das bringt mich zum Thema der Veröffentlichungsformen. Wo sehen Sie hier die besten Chancen? Welche Veröffentlichungsformen bevorzugen Sie?

AW: Dem widerspreche ich. Ebooks haben ihre Berechtigung, und die Verkaufszahlen sprechen eine eindeutige Sprache, Man darf sich als Autor dieser Entwicklung nicht widersetzen, sonst ignoriert man einen Trend. Ich bin offen für beides – eBook und Print, und ich lese auch beides. Ich habe aber aus Platzgründen irgendwann nur noch die Alternative, eBooks zu lesen. Ich kaufe aber auch weiterhin Printausgaben. Die Mischung macht es, denke ich.

KJR: Dass Ebooks ihre Berechtigung haben, bestreite ich überhaupt nicht – sie sind für mich leider nur nicht sammelnswert. - Stichwort Übersetzungen. Einige Ihrer Titel sind auch in englischer Sprache erschienen, von englischen Autoren. wie Ben Bridges, sind Übersetzungen ins Deutsche angekündigt. Sehen Sie gute Chance für solche Übertragungen? Hierbei würde mich vor allem der Aspekt ‚deutschsprachige Originale in englischsprachiger Fassung‘ interessieren.

AW: Ich versuche, zu testen, inwieweit englische Übersetzungen eines deutschen Autors in englischsprachigen Ländern eine Chance haben. Dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen. Man braucht aber vermutlich einen Repräsentanten vor Ort in den USA, der entsprechende Werbung betreibt. Nicht alles ist vom Schreibtisch aus machbar.

Ich besitze keine Glaskugel und kann auch die Zukunft nicht voraussagen, was eine Chance hat und was eben nicht. Das weiß man immer erst hinterher. Aber wer nichts wagt, gewinnt auch nichts.

KJR: Alfred Wallon hat im Lauf der Jahre so manches Pseudonym genutzt. Können Sie uns einige nennen und warum und wann haben Sie überhaupt Decknamen benutzt?

AW: Das waren Al Wallon, Chuck Malone, Glenn Forster, Mandy Martin, Liesel Lechner, Claudine Wallon, Clint Morgan, Juan Cortez, T.C. Taylor, Alfred Wallner, Claudine Wallon, Isabelle Wallon, Christa Moosleitner – und wahrscheinlich noch einige mehr, die ich jetzt nicht mehr parat habe. Die Wahl von Pseudonymen bei Heftromanen ist meistens ein Muss, weil das der Verlag wünscht. Heute schreibe ich nur noch unter meinem richtigen Namen.

KJR: Wie lebt ein Autor unterhaltender Belletristik? Ein wenig Homestory interessiert immer.

AW: Ich schreibe nicht hauptberuflich. Alle Romane, die ich jemals veröffentlicht habe, sind nach Feierabend, am Wochenende oder im Urlaub entstanden. Hauptberuflich bin ich Mediaberater im Außendienst für einen Zeitungsverlag. Meine Zeit ist somit mehr als ausgefüllt. Ich lebe in Augsburg und habe den Umzug von Hessen hierher niemals bereut. Für mich war es die richtige Entscheidung.

KJR: Welche Wünsche haben Sie für die Zukunft – privat und als Autor?

AW: Privat habe ich aus persönlichen Gründen keine Wünsche mehr. Ich habe Schönes mit meiner Lebensgefährtin Vanessa Busse erlebt, wegen der ich nach Augsburg kam und die 2017 im Alter von nur 37 Jahren an einer heimtückischen Krankheit viel zu früh verstarb. Sie war selbst als Autorin tätig, und ich bewundere immer noch ihre Ideen, die sie zielstrebig umsetzte und damit auch Erfolg hatte.

Als Autor habe ich noch viele Ideen, die umgesetzt werden müssten. Demzufolge müsste ich 120 Jahre alt werden, um das alles noch zu schaffen. Realistisch gesehen, werde ich das wohl nicht mehr hinbekommen. Also konzentriere ich mich auf das, was in der mir noch verbleibenden Zeit möglich ist. Ob das klappt – wer weiß?

Ich danke für die bereitwillige Beantwortung meiner teils indiskreten Fragen!